Suchen wir Schatten … im Garten!

Seidliz – der prächtigste der königlichen Barockgärten .

„[☾.d. 29. Sept. 1727.] Gegen 4. Uhr, nahmen wir unsern Weg nach Seidliz,
welches Guth Hrn Graf von Wackerbarth an S.e Königl.
Majs. verkauffet. Hie ist ein schöner Garten, der an
Lustbarkeit und Wohlgelegenheit, alle Königl. Gärten
übertrifft.”

Aus diesem kurzen Auszug aus seinem Manuskript erfahren wir, wie sehr Christian Fischer den am 29. September 1727 besuchten Schlossgarten in Seidliz (Seidlitz) schätzte. Der Autor betont dies durch einen Eintrag am Rand von Seite 88., wo er vermerkt: „Kostbarer Garten zu Seidlitz”:

Bei einem Ausflug in die Umgebung von Dresden haben wir auch heute die Gelegenheit, dieses wahrhaft prächtige Beispiel der Gartenkunst zu sehen und zu bewundern, das als Barockgarten Großsedlitz bekannt ist.

Aus der Geschichte des Ortes erfahren wir, daß August Christoph Graf von Wackerbarth 1719 das abgebrannte Gutshaus Sedlitz kaufte, um hier seinen Landsitz einzurichten. Mit dieser Aufgabe beauftragte er den Architekten Johann Christoph Knöffel , dem wir die Obere Orangerie (ein Entwurf dieses Gebäudes ist zusammen mit einem Grundriss im Bildarchiv in Marburg zu finden:

Heidenau-Großsedlitz, Obere Orangerie, Johann Christoph Knöffel

https://www.bildindex.de/document/obj20609597
und die Gartenanlage im französischen Stil verdanken. Das hügelige Gelände ermöglichte es, Terrassen anzulegen, die von Stützmauern begrenzt, mit Sandsteinbalustraden verziert und über die praktische Treppenanlage zugänglich waren. Die Terrassen boten einen Blick über das herrliche Elbtal mit seinen Pillnitzer Weinbergen bis hin zum Osterzgebirge. Die Achse von Dresden nach Großsedlitz, die durch eine Lindenallee definiert wurde, wurde durch den Baukörper des neu errichteten Landhauses Friedrichsburg abgeschlossen.

Im Jahr 1723 erwarb August der Starke das Landgut und plante, wie es sich für einen König gehörte, eine neue Phase des Um- und Ausbaus, die jedoch nur teilweise verwirklicht wurde. Das Gut behielt allerdings im 18. Jahrhundert eine große Bedeutung, und hier fanden die am sächsischen Hof organisierten Feste statt (u. a. die Feier des Polnischen Ordens des Weißen Adlers).

Doch kehren wir zurück zu der von aufrichtiger Bewunderung erfüllten Beschreibung, die uns Christoph Fischer hinterlassen hat. Begleiten wir ihn bei einem Spaziergang durch diese einzigartige Gartenanlage und lassen uns die vom König beabsichtigten Veränderungen analysieren:

Seiten 87. und 88. des Manuskripts, auf denen der Garten von Seidliz beschrieben

Seiten 87. und 88. des Manuskripts, auf denen der Garten von Seidliz beschrieben

„Es wird hie eine Cascade von 16. Fällen an geleget, die nicht mit 40000. Rthllr. Zum Stande gebracht werden wird. Die Bassins: Der mittlere große Teich: Die auf beyden Seiten wohl angelegte Boulingrains, die schöne Gallerie Zu Orangen, die Kostbaren Espaliers, und damit eingeschloßene Bouscagen, geben dem Garten eine große Zierde. Was noch in diesem Garten angeleget wird, ist mehr alß Königlich. Er wird erweitert, biß an den Thiergarten; Vorn soll das neue große Palais, in gleichen das Kostbare Gewächß Hauß, abgebrochen und an einem beqvemern Orth, weit Kostbarer erbauet werden”

Im gesamten Manuskript mangelt es nicht an Beschreibungen von Pflanzen, die Christian Fischer bewunderte. Auch hier wirft der Autor wie beiläufig ein:

„Unter der mittelmäßigen jedoch sehr schönen und pretieusen Oranjerie habe Aurantium salicis folio Bemercket, welche Art große Aepffel viel zusammen alß Trauben träget a). Von andern Gewächßen ist hie nichts, alß Lauriers und Myrten zu sehen.”

Bei der Erwähnung des Aurantium salicis folio versäumte es der Autor nicht, dies in einer Fußnote zu erklären: „a) In meiner geringen Orangerie ist Zur Stunde Dergleichen Junges Baumchen, so einen Ast führet, welcher conglomeratim 12 Äpfel hat, und einen anderen, der 9 erhält; ist 4 Jahr alt.”
Allen, deren Interesse ich geweckt habe, empfehle ich einen Besuch in der wunderschön gepflegten barocken Gartenanlage Großsedlitz bei Dresden. Wirklich spannend ist auch eine virtuelle Reise durch die Bestände des Bildarchivs in Marburg (Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte), bei der die Betrachtung von Fotografien historischer Pläne, Zeichnungen, Stiche etc. ebenso in die Vergangenheit führt wie die Lektüre des Manuskripts von Christian Fischer. Wir können dort z.B. finden:
– eine Zeichnung, die den Grundriss des Projekts für die Schloss- und Parkanlage in Sedlitz zeigt, aus der Zeit, als das Gut dem Grafen von Wackerbarth gehörte:
https://www.bildindex.de/document/obj20609544,
– eine Druckgraphik, die Ansicht vom Schloss und Garten Großsedlitz zeigt:
https://www.bildindex.de/document/obj20609556,
oder
– das Foto von Möbius aus dem Jahr 1928, das eine Vase auf der Balustrade im Barockgarten in Großsedlitz zeigt:
https://www.bildindex.de/document/obj20609576

Heidenau-Großsedlitz, Obere Orangerie, Johann Christoph Knöffel

Ansicht von Schloss und Garten Großsedlitz

Vase, https://www.bildindex.de/document/obj20609576

1. Nach dem Manuskript: Herrn Nathanael Iacob Gerlachs erste Reise. aus seiner Vater-Stadt Danzig, durch Cahsuben, Pommern, die Marct Brandenburg, durch Sachsen, Hessen, durch die Wetterau, über den Rhein-Strom bis an die Niederländische Gräntzen : nebst denen dabey gesamleten Observatis Physico-Mathematicis, Oeconomicis, Mechanicis, Geographicis und Literariis : in einem accuraten Journal beschrieben und mit einem vollständigen Register versehen., 1727 – 1730, (Erinnerungen an eine Reise, die der Autor, Christian Gabriel Fischer aus Königsberg, in Begleitung eines Danzigers, Nathanael Iacob Gerlach, unternommen und seine Eindrücke in einem Werk festgehalten hat, das glücklicherweise bis heute erhalten geblieben ist und sich in der Bibliothek der Technischen Universität Danzig befindet).
2. Alicja Siatka, Vorschlag für die Transkription der Fragmenten des Manuskripts: „Nathanael Iacob Gerlachs erste Reise (…)” nach deren Lektüre, März / April 2022, §. 118., Seite: 87 – 88. Originalschreibweise.
3. Seidliz, Seidlitz, Sedlitz, Großsedlitz – all diese Namen beziehen sich auf denselben Ort; Der Autor verwendet die ersten beiden.
4. Johann Christoph Knöffel (geb. 1686, gest. 1752) – deutscher Architekt des Barocks, bekannt vor allem durch seine Bauten und Stadtplanungen in Sachsen, Niederschlesien, dem Lebuser Land und der Lausitz, z.B. er entwarf die Erweiterung der Stadt Forst, den Wiederaufbau des Schlosses in Kargowa (ehem. Unruhstadt), den Wiederaufbau der Schloss-Stadt-Anlage in Brody (ehem. Pfördten) und arbeitete an den Plänen zum Wiederaufbau des Königsschlosses in Warschau mit. Er entwarf die Residenz Großsedlitz (Obere Orangerie und Barockgarten) und Hubertusburg (Schlossumbau).
5. Ich verweise alle Interessierten auf die Website: https://www.barockgarten-grosssedlitz.de
6,7,8 Alicja Siatka, Vorschlag für die Transkription der Fragmenten des Manuskripts: „Nathanael Iacob Gerlachs erste Reise (…)” nach deren Lektüre, März / April 2022, §. 118., Seite: 88. Originalschreibweise.

p.s. Der Artikel ist Teil eines Transkriptionsprojekts des gesamten Manuskripts, das am Institut für Stadtkultur in Zusammenarbeit mit der Bibliothek der Technischen Universität Danzig erstellt wurde.

Alicja Siatka

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